Veranstaltung: | 1. Ordentlicher Landesdelegiertenrat 2022 |
---|---|
Tagesordnungspunkt: | 4. Anträge |
Status: | Beschluss |
Abstimmungsergebnis: | Ja: 32, Nein: 1, Enthaltungen: 1 |
Beschluss durch: | Landesdelegiertenrat |
Beschlossen am: | 19.03.2022 |
Eingereicht: | 19.04.2022, 10:45 |
Antragshistorie: | Version 1 |
ÖPNV im ländlichen Raum stärken – Das Ziel ist stündliche Erreichbarkeit Landesplanerische Vorgaben schaffen
Beschlusstext
Wir beauftragen unsere Landtagsfraktion, alles Mögliche zu tun, um das Ziel des
grünen Sachsen-Anhalt-Taktes zu erreichen.
Der Nahverkehr im ländlichen Raum ist in Sachsen-Anhalt deutlich
ausbaunotwendig. Um die grüne Zielstellung Realität werden zu lassen, dass
ganztägig jeder Ort über 1.000 Einwohner stündlich durch ein öffentliches
Nahverkehrsangebot erreichbar, kleinere Ortschaften alle zwei Stunden und auch
die SPNV Verbindungen regelhaft stündlich verkehren – der GRÜNE Sachsen-Anhalt-
Takt - muss sich noch viel entwickeln[1]. Ebenso für das Ziel eines integrierten
Taktfahrplans mit der Abstimmung des Fern- und Nahverkehrs auf die
Nahverkehrsangebote vor Ort. Uns ist die Herausforderung bewusst, vor dem
Hintergrund der angespannten Haushaltslage durch fehlgeleitete Investitionen,
zusätzlichen Ausgaben durch die Coronapandemie und durch die Anforderungen der
Schuldenbremse. Aber gerade dann darf es nicht sein, dass Mittel des Nahverkehrs
zweckentfremdet werden oder Bundesmittel ungenutzt bleiben. Die Zweckentfremdung
der Bundesmittel zur Förderung von ÖPNV und SPNV zur Finanzierung des
Schülerverkehrs muss endlich ein Ende haben. Damit gehen dem Nahverkehr im Land
jährlich 31 Mio. Euro verloren. Erfolgt hier keine Kursänderung steuern wir
unter den gegenwärtigen Verhältnissen auf eine immense Finanzierungslücke zu.
Mit Blick auf die kommenden Jahre zeigt sich aber eben auch: nie waren die
Zeiten so günstig für eine langfristige ÖPNV-Offensive. Die neue rot-grün-gelbe
Bundesregierung will zusätzlich zu der seit 2020 verankerten Dynamisierung von
1,8 % die Regionalisierungsmittel zur Förderung des ÖPNV und SPNV deutlich
erhöhen Auch die Mittel des Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetzes werden im
Rahmen des Klimaschutzprogramms 2030 ab 2025 von insgesamt 1 Milliarde Euro auf
2 Milliarden Euro anwachsen. Diese Gelder sind im Land insbesondere für die neu
eingeführten Fördertatbestände zur Streckenaktivierung, -ausbau und zur
Elektrifizierung zu nutzen. In der Vergangenheit setzte Sachsen-Anhalt den Fokus
auf investive Großvorhaben im städtischen Raum mit der „Stadtbahn Halle 2025“
und der zweiten Nord-Süd-Verbindung in Magdeburg. Das war richtig, aber künftig
müssen die ländlichen Räume im Fokus stehen. Dem sprichwörtlichen Narrativ des
Abgehängtseins der ländlichen Räume kann so etwas Zukunftsfestes entgegengesetzt
werden. Menschen fühlen sich ernstgenommen, ländliche Gemeinden werden
attraktiver, auch für junge Menschen und Familien.
Um ländliche Räume wieder anzukoppeln, braucht es Vorlauf auf Landesebene. Im
Rahmen einer qualitativen Diskussion über den Landesnahverkehrsplan mit
Akteur*innen der ländlichen Räume sollen Kriterien für eine neue
Erschließungsqualität der ländlichen Räume erreicht werden. Immer mit dem Ziel,
die stündliche Erreichbarkeit zu gewährleisten. Dazu müssen unterschiedliche
Verkehrsträger wie Busse und Bahnen vernetzter und flexibler gedacht werden. Das
neue Personenbeförderungsgesetz eröffnet neue Spielräume für flexible
Bedienformen im ÖPNV. Hier ist das Land gehalten im Austausch mit den Kommunen
konkrete Umsetzungsmodelle zu entwickeln und auf Landesebene ideell und
finanziell zu unterstützen. Das in der Aufgabenträgerschaft des Landes
befindliche Landesnetz soll auf alle Grundzentren ausgebaut werden. Neue Ansätze
sind auch im Bereich des kombinierten Personen- und Güterverkehrs sinnvoll.
Entsprechende Projekte wie Kombibus aus Brandenburg sind im Land auf ihre
Anwendbarkeit hin zu überprüfen, um gerade die Erschließung peripherer Gebiete
zu stärken. Und auch ein besserer Umstieg vom Auto oder hin zum Rad sind
notwendig zu gewährleisten. Das kann gut über multifunktionale
Mobilitätsschnittstellen geschehen. Der Passus im Koalitionsvertrag der
aktuellen Landesregierung zum Nahverkehr strebt zwar allgemeine Verbesserungen
an, bleibt in seinen Zielen aber sehr vage. Mit unserem GRÜNEN Sachsen-Anhalt-
Takt und dem umfassenden Ziel den Umweltverbund – Rad- und Fußverkehr sowie ÖPNV
– auf über 50% am Modal Split zu heben, setzen wir dem klare und überprüfbare
mobilitätspolitische Meilensteine entgegen.
Dabei ist der Schienenverkehr ein wesentlicher Teil des dekarbonisierten
öffentlichen Verkehrs, daher setzen wir uns insbesondere für die
Elektrifizierung und den Ausbau auf höhere Geschwindigkeiten von Strecken ein.
Strecken, auf denen der Personenverkehr abbestellt wurde, dürfen nicht
stillgelegt oder entwidmet werden, sodass kommenden Generationen die Möglichkeit
zur Reaktivierung erhalten bleibt. Zudem müssen dringend auch landkreis- und
landesgrenzenüberschreitende Verbindungen ermöglicht werden. Hier muss dringend
das Steuer herumgerissen werden. Busverkehre sind fast ausschließlich auf das
nächste Grund- oder Mittelzentrum ausgerichtet, wohingegen die Fahrt in den
Nachbarkreis häufig sehr schwierig ist. Entsprechend haben wir hierzulande einen
massiven Nachholbedarf in Sachen Reaktivierung und Ausbau des Angebots. Dabei
gilt für uns das Credo: Angebot schafft Nachfrage. Prüfungen zur
Wirtschaftlichkeit von Strecken dürfen nicht am Status Quo und kurzfristigen
Zeithorizonten gemessen werden. Vielmehr gilt es ein qualitativ hochwertiges
Nahverkehrsangebot zu schaffen und genügend Zeit einzuplanen, bis dieses
etabliert ist. Der Umstieg auf andere Verkehrsmittel ist ein Prozess, der nicht
massenhaft von heute auf morgen erfolgt. Bis Menschen ihre
Mobilitätsgewohnheiten ändern und beispielsweise das Auto stehen lassen und
dafür den Bus nehmen, kann einige Zeit vergehen. Ist mithin sogar eine
Generationenfrage. Daher ist die Schaffung eines attraktiven Nahverkehrsangebots
nachhaltig und konsequent zu betreiben. Es ist ein Zielnetz für die
Zeithorizonte 2030, 2040 und 2050 zu entwickeln. Dafür ist über
Legislaturperioden hinaus zu denken. Entsprechend braucht es eine
Mobilitätspolitik mit langem Atem. Diese Ausdauer gilt es auf Landesebene zu
entwickeln und durch klare Zielstellungen in den entsprechenden Gesetzen zu
normieren.
Aktuelle Handlungsoptionen liegen in einer Novellierung des
Landesnahverkehrsplanes und in der Schaffung von Grundlagen im Rahmen der
Neuaufstellung des Landesentwicklungsgesetzes, diese gilt es konsequent zu
nutzen, um den Umweltverbund in Gänze und insbesondere den Nahverkehr als
Rückgrat der Mobilitätswende zu stärken
[1] SPNV Verbindungen, die noch keinen Stundentakt realisieren sind bspw.:
- RB47/48 Halle- Könnern- Bernburg- Calbe(- Magdeburg)
- S9 Halle- Eilenburg
- RB-Halte zwischen Stendal- Salzwedel (RB32)
- RB-Halte zwischen Schönebeck- Staßfurt- Güsten (RB41)
- alle Halte zwischen Güsten- Hettstedt- Sangerhausen (RE10)
- einzelne Halte zwischen Könnern- Aschersleben- Halberstadt (RE4/24, RB44)